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Auch dicke Katzen brauchen Liebe
Einen Vogel hatte ich, - ja wirklich!
Er hieß "Emil" und war ein Mohrenkopf-Papagei. Leider etwas dümmlich und nicht zahm.
Er war der laute Gefährte in meinem stillen Ein-Zimmer-Appartement.
In frühester Jugend hatte es auch mal einen Hund gegeben, einen gestromten Scotch-Terrier.
Aber Katzen?

Eines Tages, es war ein kalter Junitag, kam der Koch eines unserem Büro benachbarten Restaurants und sagte:
"Komm, Du sehen - ich hab' ein kleine Katze".
Da saß er - wie ich gleich mit Kennerblick feststellte-ein Katerchen!
Winzig und hilflos maunzend vor einer Untertasse mit Kühlschrank-kalter, unverdünnter Kondensmilch.
Da tat dringend Hilfe not und aufseufzend und achselzuckend packte ich das zitternde - gefleckte Bündelchen in meine Strickjacke, klemmte mir das Ganze unter den Arm und marschierte zurück ins Büro, wo ich es vorsichtig auf den Tisch packte.
Nachdem auch meine Kolleginnen das Stückchen Elend begutachtet hatten und in uns allen recht mütterliche Gefühle erwacht waren, entschloß ich mich in Anbetracht meines Papageis den Kater "erstmal" mitzunehmen.
Nach Büroschluß setze ich alle verfügbaren Personen ein, eine Babynuckelflasche für Puppen aufzutreiben, denn anders war der kleine Kerl offenbar noch nicht zur Nahrungsaufnahme zu bewegen.
Dann hatte ich das Glück, ihn in halbstündigem bis stündlichem Abstand füttern zu dürfen -zuerst Tag und Nacht.
Die ersten Versuche verliefen sehr kläglich, denn vor lauter Ungnädigkeit und Gier - die sich übrigens auch in späteren Jahren nie verlieren sollte- klebte der Flascheninhalt überall, nur in den Magen des kleinen Katers kam kaum etwas.

In den nächsten Tagen erforschte er seine Umgebung und stellte fest, daß man herrlich unter Kommoden, in Küchentöpfen, mit Socken und in Bettbezügen spielen konnte.
Wenn er dann todmüde plötzlich mitten im Spiel in sich zusammensank, hatte ich Gelegenheit ihn mir genauer zu betrachten. Dabei stellte ich fest, daß er nicht nur sehr putzig anzusehen war, so wie es alle kleinen Katzen sind, sondern nach meinem damaligen Dafürhalten ausgesprochen schön.
Er besaß schon damals unheimlich große Augen und eine wunderschöne Kopfform, mit langen, spitzen Ohren aus denen kleine Fellpuschel hervorlugten und ein schon klar ausgeprägtes "M" auf der Stirn.
Auch später habe ich nur selten eine so ausgeprägte Zeichnung bei einem Jungtier festgestellt.

In der folgenden Zeit schleppte ich Kater, Futterflaschen und all das was sehr schnell "Sein" geworden war von zuhause ins Büro und zurück.
Wir zwei brachten täglich einen Bus voller griesgrämig dreinblickender Morgenmuffel zum Lachen. Ich mit entnervtem, übermüdeten Blick, der auf die nächtlichen Fütterungsaktionen zurückzuführen war - der Kater mit seinem ständigen Bestreben, unter lauten Unmutsäußerungen aus der Tasche zu entfleuchen, in der er schon kurz nach Verlassen der Wohnung seine Art von Ordnung hergestellt hatte.
Nun gefiel es ihm weder in der Tasche, noch behagte ihm die ewige Ruckelei des Busses und langweilig ist es auch, zumal man als Katze ja ein ordentliches Tier ist!
Meist tauchte er dann, nach Einstellen meiner Versuche, ihn doch noch im Untergrund der Tasche zu halten, mit pulverisierter Babynahrung im Fell, Grießbrei am Kopf, auf.
Wie gesagt, unsere "Show" lief täglich und wir trugen damit sehr zur Erheiterung von Fahrgästen und Personal bei. Völlig entnervt und in Schweiß gebadet, erreichte ich dann doch noch allmorgendlich das Büro.

Nun tat sich die Frage auf, wie ruft man ein, nach Schätzung aller Beteiligten kaum mehr als 4 Wochen altes Katerchen. Ob seiner Größe, die bislang nur in Stimme bestand, gab es für uns nur zwei Möglichkeiten:
Goliath oder Herkules! Wir einigten uns auf ,,HERKULES".

Er wuchs und gedieh, war erstaunlich schnell sauber und unglaublich kess und bissig. Ein richtiger kleiner Rabauke, der - kaum zu etwas Kraft gekommen - schon anfing zu "giften", wenn sein Futter mal nicht sofort zur Stelle war wenn er erwachte.
Er stellte in der Folgezeit alles total auf den Kopf. Jeder Vorsatz wurde durch sein Zutun hinfällig. Viel zu erziehen war bei ihm auch nicht, da er sich hartnäckig auch liebevollen Ermahnungen mit wütenden Attacken, begleitet von boshaftem Fauchen, widersetzte.
Nur eines tat er nicht - er "verging" sich nie an Möbeln und Gardinen.
Dagegen hatte er eine Vorliebe für eine bestimmte Flurecke - sooft man sie tapezierte schaffte er es in einer Traumzeit, die Tapeten dort wieder runterzuholen.
Seiner Meinung nach gehörte die Ecke ihm und er mochte nun mal partout dort keine Wandbekleidung.
Eines Tages stellten wir dann fest, daß er seinem Namen alle Ehre gemacht hatte und aus dem piepsenden Fellbündel ein stattlicher Kater von 16 Pfund geworden war. Seine Pfunde sind aber zu seiner Ehrenrettung recht wohlgefällig um ihn herum proportioniert.
Liebevoll ,,Dicker" gerufen ist er, bis auf gelegentliche Anfälle (oder Ausfälle), über die Maßen liebevoll geworden.
Insbesondere fühlt er sich zu seinem Herrchen hingezogen, bei dem er um Liebe und Anerkennung buhlt, die man ihm ob seiner Schönheit und Abstammung von einer Wildkatze auch nicht verwehren kann.

Als zweiter im Bunde kam Kater "Paulchen" ins Haus.
Ein geschmuggeltes Urlaubssouvenir aus Österreich. Dort, auf einem Einöd-Bauernhof, schien er dem Tode geweiht.
Etwa 6 Monate alt, zerrupft, x-beinig, schielend und unglaublich mager. (Wie wir später feststellten, hatte er kaum Zähne).
Hungernd nach Liebe und ein wenig Futter. Er war vom ersten Tag unseres Urlaubs an ,,Mein" und ich war "Sein".
Anfangs schien er nicht recht zu glauben, daß ein Katzenleben auch aus etwas Anderem bestehen kann, als aus Fußtritten und Hunger. Dann aber wurde er in vier Urlaubswochen recht zutraulich.
Als wir wieder heim fuhren war er spurlos verschwunden.
Vor Tränen sah ich 9oo Kilometer lang nichts. Weitere sieben Tage und Nächte hatte ich Visionen und Alpträume und litt.
Bis mein Mann ohne viel Worte den Wagen volltankte und mit mir am Wochenende 1800 Kilometer fuhr um "Paulchen" zu holen.

Er saß im Atriumhof des Anwesens.
Seine "Begrüßung" war ein einziges Aufatmen und ich hatte das Empfinden er versuchte mit seinem Piepsen, denn Miauen kann er bis heute nicht, sein plötzliches Verschwinden zu erklären und entschuldigen.
Er dankt uns seine ,"Rettung" jeden Tag auf's Neue. Was er an Schönheit entbehrt, macht er durch seine unortodoxe Art Liebe zu geben gut.
Er "küßt" regelrecht, indem er mir mit einem seltsamen Kieksen seine Nase bei halb-offenem Mäulchen ins Gesicht drückt.
Seinem morgendlichen Wunsch nach Futter kann man sich nicht lange widersetzen, da er unentwegt in die Zehen beißt, so daß man unfreiwillig am frühen Morgen durch die Wohnung tanzt.
Bei aller Anpassung an die Städtische Umgebung hat er aber nie vergessen, daß er vom Land kommt.
Jede sich bietende Gelegenheit wird genutzt, jeden erreichbaren Blumentopf umzugraben, denn Bodenbelüftung ist schließlich unheimlich wichtig, wenn etwas gedeihen soll. Er ist stets nur schwer zu überzeugen, daß ich es bin, die pflanzt und umtopft.
Bei solchen Gelegenheiten steigt dann eine mörderische Buddelfete in der Küche oder auf dem Balkon - er ist dann wirklich kaum mehr zu bremsen!
Alles in allem ist er wirklich der komischste kleine Katzengnom, den ich kenne.

Und doch, diese zwei so gegensätzlichen Tiere, charakterlich sowie auch körperlich, ergänzen sich auf wundersame Weise.
Manchmal weiß man nicht ob man einem den Vorzug geben soll - letztlich aber könnte ich keinen missen!
Denn ob Kater so oder so...

auch dicke Katzen brauchen Liebe!

Herzlichen Dank Babsi!