Geschichten, die direkt ins Herz treffen | zurück | sitemap | mail | home |


Prof. Dr. Schnurrhaar, ein Kater für alle Fälle

Hier die ganze Geschichte zum Herunterladen, einfach auf schnurrhaar.doc klicken: schnurrhaar.doc

Z unächst möchte ich mich Ihnen vorstellen. Mein Name ist Prof. Dr. Sibelius Schnurrhaar.
Eigentlich bin ich sozusagen schon in Rente gegangen und hatte mich darauf gefreut die Abende auf dem Schoß meines Dosis Nils zu verbringen. Aber für mein Alter bin ich wohl sehr agil und mein Bauch wurde auch immer runder.
Bevor ich also nur noch träge an der Heizung liege und aufgehe wie ein Hefekloß beschloß ich mir auf meine alten Tage noch ein ausfüllendes Hobby zuzulegen.
Hmm, nur welches? Da käme ja ziemlich viel in Frage.
Bevor ich mir groß Gedanken machen konnte war ich eigentlich schon mittendrin.

Mein Dosi, wie immer gestresst von seinem anstrengenden Job, kam eines Abends auf mich zu und bat um Rat.
"Ach Sibelius, der ganze Stress wäre ja kein Problem, wenn ich nur eine Menscheline hätte, die zu Hause auf mich wartet und die angenehmen Seiten des Lebens mit mir teilt."
Das traurige, verzweifelte Gesicht meines Dosis war wirklich herzzereißend. Was ist da nur los, er ist ein sehr attraktiver Mensch mittleren Alters, erfolgreich im Beruf, tierlieb, einfühlsam etc. Aber keine würdigt ihn auch nur eines Blickes.
Naja, ich muß gestehen, mein Dosi ist sowas von schüchtern, der hat ja schon Angst bei unserer Bäckersfrau Brötchen zu verlangen...
Ich wußte sofort, das ist wohl ein klarer Fall für Prof. Dr. Sibelius Schnurrhaar. Mein Dosi braucht eine nette Menscheline, das hat er sich verdient. Nachdem er es wohl alleine nicht so ganz auf die Reihe bekommt werde ich etwas nachhelfen müssen.
Gesagt, getan!

-Claudia Grillenberger-

Sie müssen wissen, wir leben nicht gerade in New York. Nein, unser Dörfchen zählt gerade einmal sechstausend Einwohner. Was natürlich für mein ehrgeiziges Vorhaben ein weiteres Hindernis darstellt.
Doch wenn wir Katzen uns etwas einmal in den Kopf gesetzt haben, führen wir es auch durch.
Und sei es nur um unseren Dosi oder unsere Dosine zu ärgern.

Nun, einer meiner früheren Schüler arbeitet inzwischen als Katzenfutter-Testkatze bei Metzger Schneider. Dessen Bruder, der es vorgezogen hat eine dumme und faule Katze zu bleiben, lebt zwei Strassen weiter bei einer Familie mit Ferienwohnungen.
Von ihm erfuhr ich nun, daß Tags zuvor ein ganz entzückendes Exemplar von einer Menscheline dort ihre Ferien angetreten hatte. Und zwar ganz alleine.
Also machte ich mich auf den Weg zu "Speckbacke". Eigentlich heißt Speckbacke Felix, aber sie können sich ja sicher vorstellen wie eine Katze aussieht, die mit acht Monaten kastriert wurde und seither nur noch ein Hobby hat: fressen.
"Hallo Specki, altes Haus wie geht es dir denn," fragte ich ihn.
Er antwortete:" Hör bloß auf, es wird immer schlimmer in diesem Haushalt. Seit die Kinder meiner Dosis nicht mehr hier wohnen bekomme ich nur noch drei mal Essen am Tag. Aber lassen wir das, was willst du?"
"Ich komme weil ich etwas über die Urlauberin erfahren will die zur Zeit bei euch wohnt. Wie heißt sie, wie alt ist sie, was macht sie so, was ist ihr Lieblingsgericht, einfach alles was du weist," fragte ich ihn.
"Na du machst mir Spaß," antwortete er " woher soll ich das denn alles wissen? Also wie sie heißt weis ich, weil der Name ist schon seltsam. Fräulein Wildgans heißt sie."
"Oh," dachte ich " wenn das keine Fügung des Schicksals ist." Wissen sie, ich bin eigentlich Professor der Musik und nicht der Literatur.
Aber an Nils Holgerson und die Wildgänse konnte ich mich erinnern. "Ja und weiter," bohrte ich "mag sie Musik?"
"Oh ja," sagte Speckbacke " Musik ist wohl ihre Leidenschaft. Sie singt den ganzen Tag. Nicht immer schön aber aus voller Brust."
"Und der Vorname, hat sie auch einen Vornamen," fragte ich? "Lina, glaube ich," antwortete er. Aha, Nils und Lina! Klingt gut. "Wie alt?" " Weiß ich doch nicht, so Mitte Zwanzig," sagte er "wozu willst du das alles wissen?"
"Mein Nils braucht eine Frau, sonst werde ich noch verrückt," antwortete ich. Ich bedankte mich bei Specki und ging nach Hause.

Mein Dosi Nils war ja Musiklehrer an der hiesigen Dorfschule. Da mußte sich doch was machen lassen. Und ich wußte auch schon was.

-Frank Domnik-

Zunächst einmal ging ich nach Hause um mich in aller Ruhe um meinen Schlachtplan zu kümmern.
Da war ja noch so viel vorzubereiten.
Wissen Sie, Nils geht normalerweise nie zu Speckbackes Haus. Wir wohnen ja in diesem Dorf und haben deshalb keinen Grund hier eine Ferienwohnung zu nehmen.
Also wie diesen liebeshungrigen Dosi in die Schinkelstraße schleppen? Ganz einfach!
Schinkelstraße acht wohnt Specki und Schinkelstraße zehn, befindet sich gleich daneben. Ich erwähne dies nur, falls widererwarten ein solch einfachstrukturiertes Wesen wie ein Hund zum Beispiel, diese Geschichte liest (nicht umsonst heißt es oft: Blöder Hund).
Obwohl, wie dumm von mir, oder haben Sie schon mal einen Hund lesen sehen? Nun, wie gesagt direkt neben Felix' Haus, hat Doktor Brändle, der hiesige Tierarzt, seine Praxis. Nils ist ein unheimlich fürsorglicher Dosi, so brauchte ich mich bloß krank zu stellen um ihn in die Nähe dieser Lina zu bringen.
Nur wie konnte ich ihn davon überzeugen, daß es mir richtig schlecht ginge. Ich hatte ja nicht viel Zeit, wie lange Lina hier Urlaub machte wußte ich ja nicht.
Da fiel es mir ein. Essen! Wenn ich nichts aß, und mich nur in einer Ecke rumlümmelte, mußte er mich zu ihm bringen.

Was für ein Opfer für mich, nichts zu essen womöglich einen ganzen oder noch mehr Tage. Nee, nee ich war ja nicht doof, ich kannte ja Fritz Specki's Bruder.
Der schuldete mir sowieso noch einen Gefallen. Schnell noch einen Blick auf die Uhr, es war gerade halb drei. Das reichte noch um zu Metzger Schneider zu laufen und mir das Nötigste zu besorgen.
Metzger Schneider ist das was die Menschen einen richtigen "Öko" nennen. Er macht ausschließlich Steaks und solche Sachen, aus Fleisch, das er von den hier ansässigen Bauern bekommt. Und auch nur dann wenn sie die Tiere selbst und artgerecht gehalten haben. Na ja, mir persönlich wär es in dem Moment wo man mich zur Schlachtbank führt wohl egal wie nett man mich ermorden will, aber so ist halt das Leben.
Wenn ich so ein Mausevieh erwische fress ich's halt da kenn ich nichts und ihre Biographie interessiert mich dann auch nicht.
Aber mein Nils kauft, wenn überhaupt, dann nur bei Metzger Schneider. Er findet das irgendwie humaner.
Beim Metzger angekommen stand schon Fritz in der Tür, der gerade Feierabend machen wollte. Wußten Sie übrigens, daß es im Französischen kein Wort für Feierabend gibt? Die nennen das: Weekend, sprechen es aber mehr so französisch aus: Ouickennd! Aber das nur am Rande. Die sind halt schon ein lustiges Völkchen die Franzosen. Aber ich mag sie, vor allem ihren Wein.
Aberr isch schweife schon widerr ab.
Fritz stand also in der Tür und sagte: "Oh, Herr Professor Sie habe ich ja schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Wie geht es ihnen denn?" "Gut," sagte ich " ich komme um dich um den Gefallen zu bitten den du mir noch schuldest."
"Oh, ja die bestandene Musikprüfung," maunzte er "um was geht's." Ich sagte ihm, daß ich ein paar Portionen von dem leckeren Öko-Katzenfutter wollte, daß mir Nils nur zum Geburtstag und an hohen Christlichen Feiertagen kaufte (wenn ich schon was riskierte, dann mit Stil).
Er sagte, daß dies nicht einfach wäre, aber nach ein paar aufmunternden zumaunzern meinerseits, besorgte er mir was ich wollte. Und das war nicht einfach, denn Metzger Schneider war sehr eigen wenn seine Angestellten etwas ohne sein Wissen wegnahmen. Was nicht heißt er wäre geizig. Nein, Felix schwärmte geradezu von Schneiders Großzügigkeit. Doch er konnte auch mal zur Blumenspritze greifen, wenn ihm was nicht paßte. Ich halte das ja für lächerlich eine erwachsene Katze mit sowas zu erschrecken. Obwohl, unangenehm ist es schon.
Ich hatte nun fast alles was ich brauchte, eine Idee, eine Menge Futter für meine "Ich kann nichts mehr fressen, ich bin ja soooo krank"- Tour, jetzt brauchte ich mich nur noch ein wenig in der Scheune von Bauer Huber im Heu und auf dem Boden zu wälzen, davon würde mein Fell ganz matt und stumpf werden ohne gleich richtig dreckig auszusehen.

So gerüstet ging ich nach Hause, versteckte das Katzenfutter in der Hütte hinterm Haus und wartete auf meinen lieben Dosi Nils. Mein Plan konnte beginnen...

-Frank Domnik-

Eigentlich müsste mein Dosi Nils längst zu Hause sein.

Müde vom vielen Überlegen, Planen und Organisieren klappern mir immer wieder die Augen.
Ich muss aber dringend wach bleiben, um meinen Plan rasch anzugehen, schließlich soll Dosi Nils das von mir erwählte Fräulein Lina Wildgans nicht nur rasch kennenlernen, sondern es soll auch noch genügend ihrer Urlaubszeit verbleiben, damit die beiden sich ausgiebig beschnuppern können.

Um wach zu bleiben, widme ich mich ein Weilchen der Ausbildung meines Katzenstimm-Volumens und miaue - ich ziehe natürlich alle Register - alle mir zur Verfügung stehenden Oktaven hoch und runter, atme nochmals tüchtig, achte auf die Stimmstütze im Bauch und singe abschließend meine innig geliebte Katzenarie.
Er soll endlich kommen, meine Geduld eilt Richtung Nullpunkt.
Selten kam er verspätet aus der Schule, dann aber zumeist leider auch höchst gereizt - ungünstig für die geplante Aktion heute -, da es immer einen schulischen Grund für seine Verspätungen gibt.
Beim letzten Mal hatte er sich über einen Schüler geärgert, der die kostbare Pauke als Sitzgelegenheit genutzt hatte.
Daraufhin hatte mein Dosi Nils diesen Tölpel höchst persönlich nach Hause gebracht und den Eltern den Mittag gehörig verdorben.
Armer Dosi Nils, nicht alle teilen seine Leidenschaft für die Musik.

"Miau, gähn, miau!", stöhne ich mit zwinkernden Augen und beschließe, mich nur ganz kurz auf meinem Lieblingsplatz - dem Schaukelstuhl von Dosi Nils - einzurollen und ein wenig zu ruhen.
Habe ich mir nach des Tages Müh´ eigentlich doch auch verdient!
Wohlig eingerollt, die rechte Pfote über mein Ohr gelegt, kurz noch einmal mit einem Achtel Auge nach dem Rechten in meinem Revier geschaut, schlummere ich ein und betrete umgehend das Traumreich aller Katzen.
Dosi Nils und eine bezaubernde Lina Wildgans sitzen in trauter Zweisamkeit auf meiner Lieblingstraumwolke und plaudern angeregt miteinander.
Heiß durchzuckt es meinen erschöpften und soeben noch entspannten Katzenkörper.
Auf der Wolke sitzt noch ein Wesen und mein Traumblick verharrt dort und lässt meinen Körper umgehend in den Wachzustand versetzen.
Taumelnd stehe ich halb, halb sitze ich auf meinem Lieblingsplatz und strenge meine langsam wach werdenden Katzenhirnzellen an.
Auf die Idee wäre ich nie gekommen. Da könnte mein gerade eben erst erstandenes Öko-Katzenfutter völlig neue Verwendung finden.

Wann hatte ich das letzte Mal selbst an gesellige Zweisamkeit mit einer aparten Katze gedacht? Das Wort "Romanze" ist meinem Wortschatz schon nahezu entfallen! - und dann gleich solch ein Prachtexemplar.
Flink beginne ich mein mühselig in stumpfen Zustand versetztes Fell wieder aufzupolieren. Schnurrend putze ich mir die Ohren, das Gesicht, schlecke über mein Bauchfell und fühle mich wohl wie lange nicht mehr.
Geradezu märtyrerhaft wollte ich die Idee umsetzen, Tierarzt Doktor Brändle aufzusuchen, um ein nicht vorhandenes Leiden zu kurieren.
Mit Schaudern denke ich an mein letztes Intermezzo mit diesem Katzenschänder und das Untersuchungsergebnis.
Folge: Eine entsetzlich lange Spritze wurde in mein Rückenfell gestochen und dann bekam ich noch eine widerlich schmeckende Wurmkur.
Panik steckt mir in den Knochen - nicht, dass ich ein Feigling wäre, aber Katzen sind Verächter solcher Freiheitsberaubung - und ich verlor sofort einen Großteil meines Fells.
Ich muss mich bei dieser Erinnerung schütteln, was meinen Unmut bei der Erinnerung dennoch nicht schmälert. Ich hatte damals das erste Mal Sehnsucht Wildkatze zu sein, bei aller Liebe zu Dosi Nils.

Meine hellseherischen Fähigkeiten haben sich schon mehrfach bezahlt gemacht und so beende ich meine Fellputzaktion, ordne abschließend meine würdevoll erscheinenden Schnurrhaare und mache mich umgehend auf den Weg zur Schinkelstraße 8.
Soll Nils sich doch Gedanken machen, wenn er nach Hause kommt.
Gibt es die reizende schwarze Katze mit dem weißen Pfötchen wirklich?
Sollte ich in meine und Dosi Nils Zukunft geschaut haben?
Ist Fräulein Lina Wildgans etwa wirklich mit einer Katzendame angereist? Das würde natürlich alles ändern und letztendlich völlig neue Perspektiven eröffnen.

Klopfenden Herzens marschiere ich, möglichst imposant wirkend und fern jeder Müdigkeitserscheinungen, Richtung Ferienwohnungsparadies!...

-Barbara Krüger-

Angekommen in der Schinkelstraße 8 erkunde ich neugierig die nähere Umgebung. Alles ruhig. Ich gehe um das Haus herum in den wunderschönen großen Garten, der zum Ferienparadies gehört. Was höre ich denn da? Ein kleines helles Stimmchen, das da ganz zaghaft um Hilfe ruft! Ich kontrolliere jedes Fenster an der Rückseite des Gebäudes und da sehe ich SIE.
Das schwarze Fell glänzt in der Sonne und auch die zarten weißen Pfötchen kann ich erkennen, ganz wie in meinem Traum! Kann das wirklich wahr sein? Hat sich tatsächlich wieder eine meiner Vorahnungen bewahrheitet?
Ich blinzele verwirrt, fast in der Erwartung, dass sich ihr hübsches Bild wie eine Fata Morgana auflöst! Aber als ich die Augen wieder öffne, ist sie immer noch da, schaut mich mit ihren flehenden Augen an. Ihre Augen! Mich trifft es wie ein Blitzschlag, ja, das ist sie, meine Prinzessin. In ihrem Augen könnte ich mich verlieren.
Um sie zu beeindrucken stimme ich eine neuntönige Sonate an, puuuh, was bringen mich diese Gesangseinlagen immer aus der Puste. Aber ich habe es geschafft, sie fühlt sich geschmeichelt.
Schüchtern leckt sie sich ihr weißes Pfötchen.
"Hallo schöne junge Dame", rufe ich. "Mein Retter" ruft sie durch das halb geöffnete Fenster "hilf mir bitte. Ich bin hier in diesem blöden Zimmer eingeschlossen und ich will RAUS! An solch einem wunderschönen warmen Sommertag sollte man draußen sein und die Welt entdecken! Kannst du mir helfen, hier rauszukommen?" "Warte, ich komme sofort!"
Und natürlich mache ich mich sofort auf, meine kleine Prinzessin aus ihrem Gefängnis zu befreien. Man nennt mich ja nicht umsonst den "Klinkenspringer".
Drei Fenster links von ihr ist ein kleiner Balkon und die Balkontür ist offen. Perfekt! Ich springe auf die kleine Mauer und von dort aus auf den Balkon. Pssst, ganz leise schleiche ich mich durchs Zimmer.
Da, die Wohnungstür. Bin Startklar. Meine Muskeln spannen sich, ich ziele noch einmal, springe hoch und rapeng! die Tür ist offen! Jetzt nur noch über den Flur und once again. Rann an die Türklinke, die Tür springt auf … und ich schaue in zwei tiefgrüne Augen.
"Wie hast du das nur gemacht?" "Dienstgeheimnis" lächle ich nur. "Jetzt komm schnell mit, die Tür nebenan ist noch offen!" Und wir zwei rennen was unsere vier Pfoten so hergeben, durch die Wohnung, zur offenen Balkontür hinaus.
Ganz Gentleman helfe ich der jungen Katzendame vom Balkon hinunter auf das Mäuerchen, ein Sprung noch und wir sind im Garten, meine Prinzessin ist in Freiheit.
Sie zieht ihr Näschen kraus und holt ganz tief Luft. "Miau, was ist das für eine herrlich frische Landluft! Sag mal, mein Retter, wie heißt du eigentlich?"
"Ich bin Prof… ähm … Sibelius Schnurrhaar."

-Dagmar Heinrichs-

"Für Deine Hilfe danke ich Dir, und im übrigen nennt man mich Serena Tiptoe."
Serena legt ihr Köpfchen zur Seite und schaut ihn aufmerksam an.
"Komm mit meine kleine Lady", sagt Sibelius, "ich zeige Dir meinen Lieblingsplatz."

Wie die beiden so über die Wiese jagen, hier nach einem Schmetterling haschend, dort einen Käfer belauernd, gelangen sie schließlich an den kleinen Bach am Saum der Wiese. Prof. Schnurrhaar zeigt seiner Angebeteten die Stelle mit den Trittsteinen, auf denen man mit trockenen Pfoten ans andere Ufer gelangen kann.
Doch die kleine Katzenlady kann es nicht lassen, mit der Pfote nach einer Kaulquappe zu angeln und was musste geschehen? Na klar doch, sie rutscht aus und fällt kopfüber ins Wasser. So schnell sie im Wasser war, so schnell war sie auch wieder draussen und schüttelte kräftig ihr Fell aus. Als Kavalier alter Schule war Prof. Schnurrhaar ihr selbstredend dabei behilflich, ihr Fell trocken zu lecken. Und er hatte sichtlich seine Freude daran, der bezaubernden kleinen Katze so nahe kommen zu dürfen.

Am anderen Ufer stand ein großer alter Baum, dessen Äste sich schon etwa einen Meter über dem Boden zu verzweigen begannen und der eine herrlich griffige Borke hatte, um daran mühelos emporzuklettern. Jeder der beiden suchte sich eine geräumige Astgabel, worauf sie sich entspannt niederließen und den Weitblick über die Wiese bis zum Dorfrand und dem angrenzenden Wäldchen von oben genossen. Ein göttlicher Ort, um die Welt zu beobachten, zu dösen oder um zu plaudern.

Sibelius Schnurrhaar räusperte sich, holte tief Luft und - und - und - schwieg. Wie beginnen? Was sagen? Wo ist mein Mut? Minuten verstrichen, er kämpfte mit seinen Gedanken, die sich immer wieder verliefen und in nichts auflösten. Erst als eine röhrendes Drohnengeschwader an ihnen vorbeiflog, kam er wieder zur Besinnung.
"Höre Serena, der Mensch mit dem ich zusammenlebe, ist ein sympathischer liebevoller Mann, er unterrichtet Musik, Menschenmusik, Du weisst was ich meine? Tja und wir mögen uns, wir mögen uns sogar sehr, aber ein wenig einsam ist er doch und ein wenig schüchtern, in Bezug auf Menschelinen. Und als Deine Menscheline dann in unserem kleinen Ort mit Dir auftauchte, dachte ich mir so, dass man die beiden ein wenig unterstützen müsste, sich kennenzulernen."
Es folgte eine lange Gedankenpause. Serena blitzte ihn mit ihren kleinen Katzenglanzäuglein an. Sofort erlag er wieder ihrem Charme, schluckte, räusperte sich und wollte fortfahren. Verlegen hecktisch leckte er sich die behaarte Brust. "Ähäm, ähäm, ähäm."

"Würdest Du? Würdest Du Dich zum Beispiel mit mir zusammen eine gewisse Zeit lang, sagen wir so ein - zwei - drei Tage von zu hause fernhalten. Sie würden uns mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit suchen und sich dabei unweigerlich treffen, der Ort ist klein genug, sodass sich unsere Vermisstmeldungen bald kreuzen werden. Und ich kenne ein Versteck, unweit von hier, eine verlassene Baumhöhle, die wind- und regensicher ist. Und fürchten musst Du Dich nicht, denn ich bin bei Dir. Wenn Nils, mein Dosi, in der Schule ist, könnten wir dann beim Metzger Schneider vorbeischauen und uns etwas leckeres organisieren. Nun, was würdest Du davon halten."

"Lassen Sie mich darüber nachdenken, Professor Sibelius, wenn ich bitten darf."

Augenblicklang blickte Serena gedankenverloren über die Wiese, den Bach und das Dorf. Sibelius streckte laaang seine Hinterpfoten aus und spielte ein wenig, wie zufällig, mit seinen Muskeln, damit ja keine Zweifel aufkämen, wie sicher sie in seiner Nähe sein durfte. Mit seinem Esprit und seiner Geschmeidigkeit wollte er sie gern beeindrucken.

"Nun denn, ein kleines Abenteuer wäre eine spannende Abwechslung. Aber kann ich Ihnen wirklich vertrauen, Sibelius?" fragte Serena zögernd.
"Bitte sage Du zu mir Serena und glaube mir, nie könnte ich Dir auch nur ein Häärlein krümmen." Er begann sich mit dem Gedanken anzufreunden, wie bezaubernd seine Zukunft aussehen könnte, wenn sein Nils und ihre Lina Gefallen aneinander finden würden. Aber das war Zukunftsmusik.
"Gut, gut Sibelius. Holst Du mich morgen von zu hause ab, so gegen vier?"
"Abgemacht, meine kleine Lady," sagte Sibelius und wusste kaum, wie ihm geschah.

Morgen konnte es beginnen. Lasset uns mit großen Sprüngen der Zukunft entgegenfliegen, der Horizont schimmert rosarot, die Wolken golden betupft von der Sonne. "Ja, oh ja, oh ja" jubelte alles in ihm.
Sie verharrten beide noch ein Weilchen reglos in der lauen Luft des Nachmittags auf ihrem Ausguck, bevor sie, als die Sonne tiefer und tiefer sank, gemächlich zurück zum Dorf trotteten.

-Gillian Anderson -

Mein Herz machte Freudensprünge als sie sich auf den Weg zu der Hütte hinter dem Haus machten um den Vorrat an Biofutter zu holen und in die Baumhöhle zu bringen. Die ganze Zeit über starrte ich sie an - ich konnte einfach nicht anders als ihrer atemberaubende Schönheit meine gesamte Aufmerksamkeit zu schenken.

So kam es, dass ich - in Serena vertieft - dummerweise geradewegs gegen eine Baum lief. Sie lächelte gutmütig: "Na, Du bist ja ein Beschützer!". Wäre ich ein Mensch hätte ich betimmt nun einen hochroten Kopf bekommen, so konnte ich den Vorfall einfach ignorieren, spielte nochmals mit meinen Muskeln und setzte den Weg stolzierend fort. Wie konnte ich mich nur so blamieren! Jetzt hiess es Katzenauge sei wachsam. Nie wieder durfte mir ein derartiger Fehler unterlaufen, sonst bin ich bei ihr total unten durch!

In der Höhle angekommen, machte es sich die Katze seiner Träume erstmal richtig gemütlich, indem sie sich in eine Ecke in der ganz viel Laub lag legte und sich räkelte.
Trotzdem kehrte ich erstmal in mein Haus zurück, um für sie meine Lammfelldecke zu holen. So wollte ich gerade über meinen Gartenzaun springen, als ich Lina sah. Nein, nicht bei Nils, aber sie ging von Haus zu Haus um nach ihrer Katze zu fragen.
Die scheint sich ja sehr um die süsse Serena zu kümmern - und das hat Serena auch verdient. Aber so ein Mist, gerade jetzt war Nils natürlich in der Schule und nicht zuhause! Jetzt hiess es schnell handeln. So schnell ihn seine Pfoten trugen, rannte er zur Dorfschule. Lina war nur noch wenige Türen von seiner entfernt.
Meine Gedanken rasten. Wie kriege ich meinen Dosi denn so schnell nach Hause? Wenn ich mich absichtlich verletzen würde oder krank spielen würde, würde er mich bestimmt direkt zum Tierarzt bringen. Aber wie bekomme ich ihn nach Hause?
Das Problem ist, dass er er nur im dringesten Notfall seinen Unterricht vorzeitig verlässt. Jetzt war ich da. Mein Dosi war nicht zu überhören. Er spielte gerade Klavier und seine Klasse sang genauso lautstark wie falsch dazu. Der Musikraum war Gottseidank im Erdgeschoss. Ein Fenster war auf Kippe geöffnet. Würde ich jetzt aus voller Kraft miauen, würde ich sowieso nicht gehört werden. Aber was besseres fiel mir beim besten Willen nicht auf der Schnelle ein.
Zum Glück war gerade das Lied zuende und ich konnte loslegen. So gut wie in diesem Moment hatte ich noch nie in meinem Leben miaut! Ich war richtig stolz auf mich und miaute aus voller Brust. Dosi kam auch sofort ans Fenster, und fragte mich was los sei. Ich miaute sofort, dass er sofort nach Hause kommen müsse, aber das hat er natürlich nicht verstanden. Schon so oft habe ich versucht ihm die Katzensprache beizubringen, aber die Menschen scheinen nicht intelligent genug dafür zu sein.
Jedenfalls erreichte ich mein Ziel und der Dosi kam zu mir 'raus. Ich lief in Richtung zuhause los und machte ihm Andeutungen er solle mir folgen.
"Sibelius, willst du mir was zeigen? Was ist denn mit dir los? Soll ich dir hinterher kommen?" Blitzmerker! Dachte ich mir. Klar sollst du hinter mir her kommen! Die Menscheline ist doch schliesslich für dich und nicht für mich! Aber auf mich wartet auch noch jemand...
Zuhause angekommen, war Lina schon ein Haus weiter. Ich lief also zu ihr...

-Julia Gierse-

Bevor ich sie erreichen konnte, drückte sich auch schon den Klingelknopf bei Herrn Brummel. Ausgerechnet DEN musste sie fragen. Es ist doch dorfbekannt dafür, dass er keine Tiere, und erst recht keine Katzen mag. Warum hat ihr das noch niemand gesagt?
In der Hoffnung, dass er nicht zu Hause ist, raste ich zu ihr und strich ihr miauend um die Beine. In diesem Augenblick öffnete Herr Brummel die Tür. Mit bekannt verschlossenem Gesicht fragte er brüsk: "Ja? Was wollen Sie?"
Lina ließ sich nicht beeindrucken und sagte freundlich: "Guten Tag Herr Brummel. Mein Name ist Lina Wildgans. Ich wohne für 4 Wochen in dem Ferienhaus in der Schinkelstraße 8. Gestern bin ich angekommen und heute ist meine Katze verschwunden. Ich war nur kurz Einkaufen und als ich nach Hause kam, standen alle Türen offen und meine Serena war weg. Ich weiß gar nicht, wie sie die Türen öffnen konnte. So etwas hat sie noch nie gemacht. Sie ist ganz schwarz mit weißen Pfoten und ...".
Herr Brummel wird allmählich ungeduldig und unterbricht sie: "Ja und? Was wollen Sie dann von mir? Meinen Sie, ich habe die Katze geklaut und hier versteckt? Was geht es mich an, wenn Sie nicht besser auf Ihr Viech aufpassen können?! Ich hasse Katzen. Und diese da, die zu Ihren Füßen sitzt, können Sie gleich mitnehmen. Gehört die auch Ihnen? Eine Katze reicht Ihnen wohl nicht?"
Es war unglaublich, aber Lina ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Was für eine Frau! Das wär was für meinen Nils - und für mich.
Unbeirrt fuhr sie fort: "Ich habe schon die halbe Straße herunter Ihre Nachbarn gefragt. Niemand hat sie gesehen. Haben Sie sie vielleicht gesehen?" Herr Brummel: "Nein, natürlich nicht. Und selbst wenn, würde ich mich nicht daran erinnern, es sei denn, sie wäre auf meinem Grundstück gewesen. Dann hätte ich sie aber verjagt. Ich hasse diese Flohtüten und ihren Katzenjammer. Ein paar Häuser weiter, da lebt so ein alter fetter Kater." Er zögert etwas, während er mich mustert, und fuhr dann fort: "Der hat übrigens sehr viel Ähnlichkeit mit dem da." und zeigt auf mich.
"Immer bei Vollmond sitzt er da vorne auf der Mauer und jault, was das Zeug hält, die ganze Nacht durch. Ich habe schon alles Mögliche versucht, ihn loszuwerden, aber der kommt immer wieder und lockt auch noch anderes Viehzeug an. Letztens habe ich sogar die Polizei gerufen wegen der nächtlichen Ruhestörung. Man kann dabei kein Auge zumachen, geschweige denn, schlafen. Und dann balgt er sich auch noch mit den anderen Viechern. Das Geschrei müssten Sie mal hören. Da bekommt man ja eine Gänsehaut. Wissen Sie, wie sich so was anhört?" Plötzlich gab er völlig unartikulierte Töne von sich. Es hörte sich fast an wie Fauchen, Keifen und Miauen in einem. Es war so fürchterlich, dass ich sofort das Grundstück verließ und mich vor die Hofeinfahrt setzte. Dies scheint sein Revier zu sein. "Und was hat die Polizei gemacht?" fuhr Herr Brummel fort, nachdem er erst mal tief Luft geholt hat. "Die haben sich geweigert, meine Anzeige aufzunehmen. Sagten, das hier sei ein Dorf und ich müsste mich damit abfinden, dass auch mal Katzen Nachtgesänge von sich geben. Außerdem sei die Katze ja nicht direkt auf meinem Grundstück, so dass dessen Besitzer noch nicht mal aufgefordert werden könne, darauf zu achten, dass seine Katze außer Hörweite bleibt. Ich sage Ihnen, wenn ich diesen fetten Kater mal auf meinem Grund und Boden erwische, dann werde ich ihn ..."
Den Rest verstand ich leider nicht, weil er sehr leise geworden war und ich ihn auf diese Entfernung kaum noch hören konnte. Lina sagte noch traurig: "Naja, aber falls Sie meine Serena doch mal sehen sollten, wäre ich Ihnen sehr sehr dankbar, wenn Sie mich informieren würden. Wie gesagt, ich wohne in der Schinkelstraße 8. Es gibt auch eine Belohnung für den Finder. Bitte, seien Sie so gut und informieren mich dann. Entschuldigen Sie bitte die Störung."
Herr Brummel brummte: "Naja, mal sehen." und schloss grußlos die Tür.
So ein gemeiner Kerl! Wie fies der geredet hat, und wen hat er wohl gemeint mit dem alten fetten Kater, der so aussieht wie ich? Ich bin einzigartig im ganzen Dorf! So einen wunderschönen schwarz-weißen Kater wie mich gibt es hier -und bestimmt auf der ganzen Welt- nur einmal! Eigentlich bin ich ja weiß-schwarz und nicht schwarz-weiß.
Ich bin nämlich überwiegend weiß, habe nur einen schwarzen Schwanz, einen riesigen schwarzen Fleck auf dem Rücken, schwarze Ohrspitzen und -daher mein Titel “Professor”- ein kleines schwarzes Fleckchen am Kinn, wie ein Zickenbart, und schwarze Flecken um die Augen, die aussehen, als würde ich eine Brille tragen. Außerdem habe ich wunderschöne und endlos lange schwarze Schnurrrrrrhaare.
Die arme Lina. Mit gesenktem Kopf verließ sie das Grundstück und kam direkt auf mich zu. Irgendetwas glitzerte ganz merkwürdig in ihren Augen. Auf dem Gehweg angekommen baute ich mich in voller Größe vor ihr auf und maunzte aus voller Kehle. Erschrocken blickte sie auf und etwas Glitzerndes kullerte über ihre hübsche Wange. Als sie mich erkannte, kniete sie sich zu mir: "Hallo mein hübsches Katerchen. Du hast meine Serena bestimmt auch nicht gesehen, oder? Ach, könntest du mich doch verstehen und sprechen. Du würdest mir bestimmt helfen, nicht wahr?"
Ich hatte sofort unendliches Vertrauen zu ihr, drückte meinen Kopf in ihre Hand und schnurrte vorsichtig: "Arme Lina, wenn du wüsstest." Sie fuhr fort: "Hast du gehört, was Herr Brummel gesagt hat? Wie kann man nur solch wunderbare Geschöpfe wie euch hassen? Das werde ich nie verstehen."
Ich sagte zu ihr: "Ja, und der hat mich auch schon so oft von der Mauer verjagt, wenn ich ein Konzert für die Katzen in der Nachbarschaft gegeben habe. Immer, wenn es am schönsten war und andere Katzen bereits eingestimmt haben, kam er aus seinem Haus gerast und brüllte so laut, dass ich die anderen Katzen nicht mehr hören konnte. Letztes hatte er sogar einen Eimer in der Hand, mit nassem Wasser drin. Kurz, bevor er mich erreichte, flüchtete ich. Genau in diesem Augenblick schüttete er das Wasser über meinen Sitzplatz. Das war echt knapp. Nun habe ich mir erst mal einen anderen Platz für meine Konzerte gesucht, aber der ist nicht halb so schön wie der hier."
"Ach Katerchen, du hast bestimmt Recht mit dem, was du mir da erzählst" unterbrach mich Lina. Dann musste ich sie aber doch fragen: "Sag, erinnerst du dich an die Worte des Herrn Brummel, als er von dem alten fetten Kater sprach, der so viel Ähnlichkeit mit mir hat? Wenn du den auf der Suche nach deiner Serena sehen solltest, dann sag mir bitte unbedingt Bescheid. Den MUSS ich kennenlernen." Ach, könnte sie mich doch verstehen...
Lina streichelte mich immer noch. Es war wunderbar. Sie hat so sanfte Hände und so eine liebe Stimme, und wie sie duftet - einfach wunderbar. Und hübsch ist sie obendrein auch noch. Das wär `ne Wolke: Lina und Nils... NILS?
Wo steckt der Kerl eigentlich? Meine Güte, den hatte ich ja total vergessen. Vorsichtig schaute ich mich um. Nils war nirgends zu sehen. Nun musste ich mir ja wirklich was einfallen lassen, bis der Kerl endlich kommt. Er musste ja erst noch seine Schüler nach Hause schicken und das Klassenzimmer aufräumen und abschließen. Aber das kann doch nicht sooo eine Ewigkeit dauern!? Nun musste ich mir was einfallen lassen, um Lina hier zu halten. Ich hatte Angst, dass sie die Suche in unserer Straße aufgeben könnte. Wenn niemand von den anderen Leuten in unserer Straße ihre Serena gesehen hat, könnte es ja sein, dass sie sich denkt: "Wenn man sie bis hierher nicht gesehen hat, werden die Leute in den nächsten Häusern sie sicher auch nicht gesehen haben. Vielleicht ist sie in eine andere Richtung gelaufen?"
Ich musste Lina also unbedingt festhalten, bis Nils kam. Nils musste auf dem Heimweg ja hier vorbeikommen, so konnte er uns nicht übersehen. Um Lina aufzuhalten, schnurrte ich nun, was meine Kehle hergab und streckte mich lang auf den zum Glück sonnengewärmten Gehwegplatten aus. Uff, genau im richtigen Augenblick, sie wollte gerade aufstehen. Nun blieb sie aber doch hocken, streichelte mich mit ihren feinen, wunderbar duftenden Händen weiter und redete leise schmeichelnde Worte auf mich ein. Aber was sollte ich machen, wenn sie nun doch aufhört und weggeht? Sobald sie den Blick von mir wendete, maulte ich leise, um ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken. Man nennt mich ja nicht nur wegen meinem Zickenbart und der schwarzen Brille "Professor"!
Endlich entdeckte sie die kleine Hülse an meinem Halsband. Gedankenverloren spielte sie erst daran, öffnete sie und zog dann vorsichtig das Zettelchen heraus. Leise las sie die Adresse, den Namen von Nils und meinen Namen: "Aha, Sibelius heißt du also. Was für ein hübscher Name für so einen schönen Kater. Du wohnst ja nur ein paar Häuser weiter. Vielleicht hat dein Herrchen ja meine Serena gesehen und weiß, wo sie ist." Dann versuchte sie, das Zettelchen wieder in die Hülse zu stecken. Damit hatte schon manch einer seine Schwierigkeiten, weil alles so schön klein ist.
Aber damit konnte ich wieder etwas Zeit schinden, indem ich mich etwas bewegte, wenn sie gerade dabei war, den Zettel in die kleine Öffnung zu schieben. Wie gesagt, man nennt mich nicht umsonst Professor! Oh, jetzt höre ich was! Das sind die Schritte von Nils. ENDLICH! Da kommt er angerannt. Oje, wie der wieder aussieht: Ganz wuschelige Haare, hochrotes Gesicht, schon ganz außer Atem vom Laufen. Na, wenn das man gut geht...

-Geldi-

"Ist was mit meiner Katze?", fragte Nils die fremde Frau, weil er mich am Boden liegen sah. "Nein", antwortete Fräulein Wildgans, "ich habe nur eben versucht, dieses kleine Zettelchen wieder in die Hülse zu stecken, aber dieser Kater hält nicht still."
"Dieser Kater", antwortete Nils, "ist mein Kater. Ist mal wieder die Hülse aufgegangen?" Das Fräulein wurde etwas rötlich im Gesicht und antwortete: "Nein, ähm, ich habe die Hülse aufgeschraubt, um zu sehen, wem der Kater gehört." "Um den müssen sie sich keine Sorgen machen, der kennt hier jede Strasse wie seine Westentasche. Darf ich fragen, mit wem ich die Ehre habe?", räusperte sich Nils die hübsche junge Dame. "Ich habe Sie hier nämlich noch nie gesehen."
"Ich heisse Wildgans, Lina Wildgans. Ich wohne zur Zeit für 4 Wochen in der Ferienanlage in der Schinkelstrasse 8. Schön haben Sie's hier." Sie holte kurz Luft und machte eine kleine Pause um dann fortzufahren: "Ich habe auch eine Katze, sie heißt Serena und im Moment vermisse ich sie. Sie ist mit mir hier her gekommen und normalerweise an die Freiheit überhaupt nicht gewöhnt, aber als ich vor ein paar Stunden zurück in meine Ferienwohnung gekommen bin, war die Tür einen Spalt offen, ich dachte erst, jemand hat eingebrochen, aber nichts - außer Serena - fehlt. Mein armes Ding, hoffentlich ist ihr nichts zugestoßen!"
"Nur mal langsam," entgegnete Nils, "wir werden Ihre Katze schon finden, schließlich ist das Dorf nicht sehr groß und außerdem haben wir hier einen ganz besonders schlauen Kater, er hat noch immer alles zum Guten gebracht, nicht wahr, mein Professor?"
Ich fing genüsslich an zu schnurren und tretelte vergnügt. Fräulein Wildgans fragte irritiert: "Wie nennen Sie ihn? Professor?" "Ja, ich bin Lehrer, müssen Sie wissen, Musiklehrer an der Dorfschule hier, und weil Sibelius schon oft schlauer war als ich, habe ich ihn eines Tages Professor genannt, nun, und dabei blieb es."
Langsam merkte Nils, wie schön Lina eigentlich war und wie gut sie duftete. Da wurde ihm auf einmal plötzlich ganz anders. "Wie, ähm, ich meine, ich und mein Kater könnten Ihnen gerne behilflich sein, ihre Katze zu finden, wenn Sie, äh, mögen."
Fräulein Wildgans nahm diesen Vorschlag liebend gerne an, denn sie kannte ja sonst niemanden hier im Dorf und so jemandem wie Herrn Brummel wollte sie auch nicht wieder begegnen.
Mein Plan Phase 1 war also gelungen. Sie hatten sich kennengelernt. Und ich merkte auch so was wie ein gewisses Kribbeln in den Menschenbäuchen. Nun konnte ich mich also getrost der Phase 2 widmen...

-Gaby mit T + T-

Nils bot Lina Wildgans an, sich einmal im Dorf umzuhören, einige seiner Schulkinder anzusprechen und riet ihr, im Lebensmittelladen eine Zettel mit der Beschreibung ihrer Katze auszuhängen.
Soweit fiel alles zur vollen Zufriedenheit Prof. Schnurrhaars aus. Unbemerkt trollte er sich davon in Richtung Versteck. Als er nur einen augenblicklang an einer großen Baumwurzel verharrte um in den Wind zu lauschen, bemerkte er aus den Augenwinkeln ein leises Huschen, sah die Maus, setzte an zum Sprung und hatte sie auch schon erwischt.
Er packte das graue Bündel und trug es mit stolz geschwellter Brust zur Höhle. Serena erwartete ihn schon vor der Höhle und mauzte ihm erwartungsvoll zu. Stolz wie ein Torero, der den größten Stier erlegt hat, legte er sein Geschenk vor ihr ab. Wenn man einer Katzenlady eine frisch erjagte Maus bringt, hat das schon etwas zu bedeuten und wenn die Auserwählte annimmt, das auch. Prof. Schnurrhaar berichtete Serena, dass die erste Kontaktaufnahme geklappt hat und sie Lina die Suche nun nicht mehr allzu schwer machen brauchten.

Als Serena und Prof. Schnurrhaar sich nähernde Kinderstimmen hörten, versteckten sie sich nicht in der Höhle, sondern sprangen munter zwischen den Stämmen am Wegesrand herum, sodass sie gesehen werden mussten. Es dauerte nicht lange, dass Nils über die unbekannte Katze, in Begleitung von Prof. Schnurrhaar, informiert wurde.
Nils, dem Lina ihre Handy-Nummer gegeben hatte, rief sie sogleich an und verabredete sich mit ihr, um sie an die Stelle, an der Serena gesehen wurde, zu begleiten.
Das Wiedersehen war rührend: "Serena, mein Mädchen, wie bist Du nur herausgekommen? Und dann hast Du Dich in der fremden Umgebung auch noch verlaufen. Ich bin so froh, dass ich Dich wiederhabe, mein Kleines." Serena blickte Lina glücklich schnurrend an und ließ sich von ihr ausgiebig streicheln, doch dann ging sie auf Sibelius Schnurrhaar zu und stupste ihn an. "Oh, lieber Professor, ich danke Dir ganz besonders, denn Du musst sie gefunden haben", sagte Lina. "Tja, wenn Du wüsstest, meine Liebe, aber der Zweck heiligte schon immer die Mittel und in diesem Fall hat es einen guten und einen doppelten Zweck", miaute er Lina zu, wohl wissend, dass sie ihn nicht verstehen würde. Auch bei Nils bedankte sich Lina aus vollem Herzen, denn nun war ihre Welt wieder in Ordnung.

Am nächsten Morgen warf Nils auf seinem Schulweg eine Nachricht in den Briefkasten des Hauses Schinkelstraße 8, in dem Lina Wildgans während ihres Urlaubs wohnte: "In 3 Tagen findet im Nachbardorf ein Wildschweinrennen statt. Hättest Du Lust, dorthin mitzukommen? Es gibt Schwarzbier mit Brezeln und die Feurwehrkapelle spielt, etwas schräg, aber lustig. Bitte stecke einen Zweig ins Gartentor, wenn Du Interesse haben solltest, denn auf meinem Nachhauseweg von der Schule komme ich immer dort vorbei."
Als die Schulglocke läutete, packte er seine Schultasche und schaute sich nochmals im Klassenzimmer um, ob alles in Ordnung ist. Die Kinder waren schon alle auf und davon. Er winkte seinen Kollegen auf der Treppe noch kurz zu und begab sich voll bangen Erwartens auf den Heimweg. Es ist schon unendlich lange her, dass er geflirtet oder sich um eine Frau bemüht hatte, schließlich hatte er seinen Kater, seine Musik und die Schule. Und in seinem Umfeld gab es kein für ihn infrage kommendes weibliches Wesen, das seine Aufmerksamkeit erregt hätte. Es kostete ihn schon einige Überwindung aus seinem schützenden Bau der verlegenen, bequemen Untätigkeit herauszukommen, um vielleicht am Ende abgewiesen zu werden.
Vor sich hingrübelnd, kam er dem Haus seiner sympathischen zeitweiligen Nachbarin näher und warf fast zu fällig einen raschen Blick in Richtung Gartenzaun.
Dort sah er ihn, den Zweig. Das Signal. Sein Herz lachte und die dahingegrübelten Bedenken verflogen. Als er auf Höhe des Gartentores war, bemerkte er im Garten, zwischen 2 Obstbäume gespannt, eine Hängematte und darauf lag sie. Plötzlich traf sich ihr Blick und Lina sprang auf aus ihrer Hängematte und kam zum Tor: "ich habe gerade einen Tee gebrüht, hast Du vielleicht Lust auf eine Tasse?" "Ja, gern," entgegnete Nils. Sie setzten sich im Garten an den kleinen blauen Holztisch und strahlen sich an.

Prof. Schnurrhaar tollte gerade mit seiner kleinen Freundin Serena im Garten herum, einen übriggebliebenen kleinen Tannenzapfen jagend. Als er Nils etwas schüchtern schweigend am Tisch sitzen sah, sagte er zu seiner kleinen Freundin: "Serena, wenn Du erlaubst, würde ich gern meinem 2-Beiner einen Tipp geben, was er jetzt zu tun habe. Er ist etwas aus der Übung." Serena blinzelte ihm ihr Einverständnis zu und Prof. Schnurrhaar schmiegte kuschelnd sein Fell an das ihre, nicht ohne Nils einen vielsagenden Blick über die Schulter zuzuwerfen.
Die beiden 2-Beiner mussten lachen. Aber, nun eher noch etwas mehr verlegen, stand Nils auf und verabschiedete sich von Lina: "also dann bis zum Wildschweinrennen. Ich werde Dich abholen und freue mich darauf." Lina winkte ihm zu, als er den Garten verließ. Sie hat so ein bezauberndes Lächeln. Sonne, Mond und Sterne, da wird man sogar als Kater schwach.

Zuhause angekommen, sang und tanzte Nils durch die Küche. Prof. Schnurrhaar mittlerweile auch dort, nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Wassernapf und beobachtete verwundert das ungewöhnliche Verhalten seines Menschen. "Nein, dieser Gesang, welch' Grausamkeit für meine Katzenohren."
Wie es zu erwarten war, blieb das Wildschweinrennen nicht ohne Folgen. Als er abends sinnierend auf dem alten Baumstumpf am Wegesrand nahe seinem und Nils Haus in der lauwarmen Nachtluft saß und die matte weiße Scheibe des Mondes, umgeben von einigen blitzenden Sternen, fixierte, nahm er eine Bewegung in der Nähe war. Waren es nicht Nils und Lina, die dort Arm in Arm aus dem Dunkel der Nacht auftauchten. Tatsächlich, sie waren es.
Prof. Schnurrhaar verhielt sich unauffällig, er hatte große Chancen nicht gesehen zu werden. Am Gartentor angekommen, küssten sich die beiden. Also hatte sein Nachhilfeunterricht gefruchtet. Lina blieb über Nacht.
Aber es kam sogar noch besser. Sie zog für den Rest des Urlaubs ganz zu ihnen und das hieß selbstverständlich mit Serena. "Yeepeeh", wenn einem habilitierten Kater solch ein Gefühlsausbruch ausnahmsweise einmal gestattet sei.

Nils und Lina schmiedeten Pläne für eine gemeinsame Zukunft und Prof. Schnurrhaar durfte sich vollkommen sicher sein, über kurz oder lang würde er mit Serena, der zauberhaften kapriziösesten Katzenlady für immer zusammenleben.

-Gillian Anderson -

THE END!!!

Herzlichen Dank an Frank Domnik, Barbara Krüger, Dagmar Heinrichs, Gillian Anderson, Julia Gierse
Geldi und Gaby mit T + T für die tollen Fortsetzungen!!!